Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
Leitung
Professor Dr. Martin Selmayr, Wien / Brüssel / Passau
Forschungsthemen
Der Euro ist heute die gemeinsame Währung von 19 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Zuletzt hat Litauen den Euro zum 1. Januar 2015 eingeführt. Zwar ist die Einführung einer einheitlichen Währung und der Übergang zu einer gemeinsamen Geld- und Wechselkurspolitik primär ein ökonomischer Vorgang. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ist aber zugleich ein bedeutsames rechtliches Ereignis, da sie nach Maßgabe des EG-Vertrags in der Fassung des Vertrags von Maastricht errichtet worden ist und bis heute ganz entscheidend von den Vorgaben des Europäischen Unionsrechts bestimmt wird. Der Euro ist deshalb ein Geschöpf der Unionsrechtsordnung. Geld- und Wechselkurspolitik gehören dabei zu den am stärksten "vergemeinschafteten" Politikbereichen in der Europäischen Union. Zugleich hat der besondere, durch den Vertrag von Maastricht für die WWU geschaffene Rechtsrahmen erhebliche verfassungsrechtliche Auswirkungen auf Zielsystem, Organisationsstruktur und Differenzierung der gesamten Europäischen Union, die mit dem Vertrag von Lissabon teils konsolidiert, teils weiterentwickelt werden. Das CEP befasst sich aus diesem Grund schwerpunktmäßig mit folgenden Fragen aus dem Recht der Wirtschafts- und Währungsunion:
- In welchem rechtlichen Verhältnis steht die unabhängige Europäische Zentralbank (EZB) zu den Organen und Einrichtungen der Europäischen Union?
- Überwiegen bei der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Organen der EZB (EZB-Rat, EZB-Direktorium, Erweiterter Rat der EZB) und bei der Aufgabenverteilung zwischen EZB und nationalen Zentralbanken im Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) zentrale oder dezentrale Elemente?
- Wer haftet bei Rechtsverletzungen im Rahmen der Durchführung von Maßnahmen der EZB durch die nationalen Zentralbanken der Euro-Teilnehmerstaaten (z. B. die Bundesbank oder die Österreichische Nationalbank)? Die jeweilige nationale Zentralbank oder die EZB?
- Darf die EZB die Durchführung der von ihr beschlossenen Politiken nur einer Gruppe von nationalen Zentralbanken anvertrauen (sog. Spezialisierung)?
- Welche Kompetenzen hat die EZB gegenüber natürlichen und juristischen Personen, insbesondere bei der Anwendung der Mindestreserveverordnung und der Sanktionenverordnung?
- Ist die EZB bei ihren Rechtshandlungen an die Vorgaben des EG-Wettbewerbsrechts (Kartellrecht, Beihilferecht) gebunden?
- Welche rechtlichen Folgewirkungen hat die Wirtschafts- und Währungsunion auf Eigentümerstruktur, interne Organisation und Beschäftigungsbedingungen nationaler Zentralbanken?
- Welche Rechtsstellung haben die noch nicht am Euro teilnehmenden Mitgliedstaaten und ihre Zentralbanken im Rahmen der wirtschafts- und währungspolitischen Bestimmungen des EU-Vertrags, des AEUV-Vertrags und der ESZB-Satzung?
- Welche rechtlichen Optionen gibt es für eine Verlagerung von Befugnissen der Finanzmarktaufsicht auf die Unionsebene (insbes. auf die EZB, eine oder mehrere Europäische Finanzmarktagenturen oder ein Europäisches System der Finanzmarktaufsichtsbehörden)?
- Welche rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen bestehen nach den Verträgen, um im Gefolge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise einem Mitgliedstaat (Euro-Teilnehmerstaat wie Mitgliedstaat mit Ausnahmeregelung) finanziellen Beistand in Notsituationen zu leisten? In welchem Verhältnis stehen Art. 122, 125 und 143 AEUV?
- Ist die Europäische Kommission rechtlich befugt, Anleihen im Namen der Europäischen Union zu begeben? und wenn unter welchen Voraussetzungen?
- Ist es einem Staat außerhalb der Europäischen Union (z. B. Island) erlaubt, seine nationale Währung durch den Euro zu ersetzen? Welche völker- und unionsrechtlichen Regeln wären für eine solche "Euroisierung" zu beachten?
- Selmayr, Das Recht der Währungsunion, in: Müller-Graff/Hatje, Europäisches Wirtschaftsordnungsrecht, Enzykloplädie des Europarechts Band 4, 23
- Selmayr, Die Europäische Zentralbank, in: Weidenfeld/Wessels, Jahrbuch der europäischen Integration 2014
- Selmayr, Kommentierungen zu Art. 127, 133, 139 (mit Protokoll Nr. 14), 282 AEUV sowie Art. 13 ESZB/EZB-Satzung (mit Zilioli), in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Großkommentar, 2015
- Europäische Zentralbank, allgemeine Webseite
- Euro-Webseite der Europäischen Kommission
- Webseite der Europäischen Kommission zum Stabilitäts- und Wachstumspakt
- Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Lissabon-Version), einschließlich des Protokolls Nr. 4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank
- Aktuelles EZB-Recht
- Satzungen der nationalen Zentralbanken
- Konvergenzberichte der Kommission und der EZB
- Interationaler Währungsfonds (IWF): Selected Decisions and Selected Documents of the IMF, Thirty-Seventh Issue; IMF Regional Reports (u.a. zum Euro-Währungsgebiet)
- Blog "Law of EMU" von Attila Arda